Sie alle waren zu Gast im Trauercafé des Hospizvereins. Mitbegründet hat diesen Treffpunkt für Trauernde im Jahr 2000 die Viernheimerin Christel Schumacher. Jetzt, am 12. Februar, öffnet sie zum letzten Mal die Türen des Cafés im Obergeschoss des Hospizes Schwester Paterna. Danach wird sie das Besucherbuch zuklappen, in das sie im Laufe der Jahre 99 Namen eingetragen hat – die Namen all derer, die im Trauercafé Hilfe gesucht und gefunden haben.
Ein Ort, an dem Trauernde über ihre Gefühle sprechen und Menschen kennenlernen können, die ebenfalls ihren Mann, ihre Frau, ein Kind oder einen engen Freund verloren haben: Das war das Ziel des Trauercafés. „Wir wollten Menschen in ihrer Trauer begleiten und wieder ins Leben zurückführen“, erklärt Christel Schumacher.
Holpriger Beginn
Ihre eigenen Erfahrungen mit Verlust hatten sie bewogen, erst die Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin und später die zur Trauerbegleiterin zu machen. Aus dem, was sie dabei lernte, entstand die Idee, in Viernheim ein Trauercafé zu gründen. Schumacher erinnert sich noch gut an das erste Treffen, damals noch in der Kulturscheune: „Wir hatten die Tische schön gestellt, gedeckt und mit Blumen dekoriert.“ Doch auf dieses erste Treffen mit ersten Gästen folgte eine harte Zeit. „Danach kam niemand mehr. Zehn Monate lang!“ Heute muss die Ehrenamtliche bei der Erinnerung lachen, wie sie immer am zweiten Montag im Monat auf Gäste wartete – vergeblich. „Wir haben aber nicht aufgegeben. Und dann plötzlich kamen die Leute, es boomte richtig.“ Seitdem seien über 20 Jahre lang zu jedem Treffen rund zwölf Besucher gekommen. Manche nur ein- oder zweimal, andere über Monate oder Jahre hinweg.
„Trauer endet nie“, sagt Schumacher. „Aber sie verändert sich. Irgendwann kann man darüber reden.“ Dabei half die Viernheimerin den Besuchern – aber nicht allein. Bis zuletzt leitete sie das Trauercafé zusammen mit Barbara Dörsam. „Wir mussten zu zweit sein, allein für den Fall, dass einmal jemand emotional zusammenbrach“, erklärt Schumacher.
Gemeinsam verfolgten sie bestimmte Rituale. So ging bei der Eröffnung jedes Treffens ein Stein von Hand zu Hand der Gäste mit der Einladung, auszusprechen, wie sie sich gerade fühlten. Viel Mühe machten sich die Ehrenamtlichen mit dem Heraussuchen von Texten, die sie gemeinsam mit den Besuchern lasen und zum Aufhänger für Gespräche nahmen – „wenn nicht jemand vorher etwas Dringendes loswerden musste“, sagt Schumacher. „Das war uns immer wichtiger.“ Genauso wichtig wie die unumstößlichen Grundregeln jedes Zusammentreffens: „Nichts, was besprochen wird, verlässt den Raum. Und nichts, was jemand sagt, wird von den anderen bewertet.“
Zwar wurde oft gelacht im Trauercafé. Aber es sei auch nicht immer leicht gewesen, von den traurigen Verlusten anderer Menschen zu hören. „Viele Schicksale haben mich tief berührt.“ Während sie auf unzählige Gespräche und Erlebnisse in den vergangenen Jahren zurückblickt, sagt sie immer wieder: „Da habe ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.“
Fortsetzung mit anderem Konzept
Besonders die in den vergangenen Jahren gewachsene Zahl von Müttern im Trauercafé, die erwachsene Kinder verloren hatten, bewegte Schumacher. Doch obwohl sie durchaus die eine oder andere Geschichte in Gedanken mit nach Hause nahm oder auch mal angesichts schwerer Schicksalsschläge bangen Herzens in eines der unzähligen von Café-Gästen erbetenen Einzelgespräche ging – „ich habe es immer gern gemacht“, betont Schumacher.
Umso schwerer fällt es ihr, das Café jetzt zu schließen. „Obwohl ich mich nach all den Jahren auch befreit fühle, die viele Arbeit abgeben zu können“, bekennt sie.
Und auch wenn das Trauercafé in der bisherigen Form nicht mehr existieren wird, so macht der Hospizverein trotzdem weiter. „Nur mit einem etwas anderen Konzept“, erklärt Ursula Buckow. Auch sie ist ehrenamtliche Hospiz- und Trauerbegleiterin und übernimmt nun von Schumacher und Dörsam die Aufgabe, Trauernde zu begleiten. Wie ihr Angebot genau heißen wird, steht noch nicht ganz fest. „Aber es wird das Wort Hoffnung im Namen tragen“, sagt sie bestimmt. Denn die will sie Trauernden zurück geben.
Ab dem 8. April wird Buckow dafür eine geschlossene Trauergruppe mit höchstens sechs Personen eröffnen, die innerhalb der vergangenen eineinhalb Jahre einen geliebten Menschen verloren haben. Ein Jahr lang wird sich diese Gruppe treffen, immer am zweiten Montag jeden Monats. In dieser Zeit möchte Buckow die Gruppe im Gespräch und mit meditativen Elementen in ihrer Trauer begleiten.
„Die kleine Gruppe wird eine besondere geschützte Atmosphäre und Vertrautheit bieten“, sagt die Ehrenamtliche. Ihr ist wichtig: „Es gibt keine falsche Trauer. Es ist richtig so, wie man sich eben fühlt.“ Und: „Ich möchte gern, dass wir gemeinsam sowohl weinen als auch lachen.“ Gespannt sei sie, aber auch ein wenig aufgeregt, gesteht sie. Ihre Vorgängerin Schumacher nickt wissend. „Ja, diese Arbeit kostet manches Herzklopfen. Aber sie hat mein Leben auch sehr bereichert!“